„So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Chris­tus aufer­standen ist durch die Her­rlichkeit des Vaters, so auch wir in einem neuen Leben wandeln.”

(Röm. 6,4)

The Life that Wins“
Eine Ansprache von Ch. G. Trum­bull vor dem Nation­alkon­vent der Pres­by­te­ri­an­er-Brud­er­schaft von Ameri­ka, gehal­ten in der Presby­terianerkirche St. Louis (Mo.). in der Wash­ing­ton and Comp­ton Avenue, in der Dr. J. H. Brookes viele Jahre Pfar­rer war. Gedruckt mit fre­undlich­er Erlaub­nis der Sun­day School Times Com­pa­ny, Philadel­phia, USA.
Ins Deutsche über­set­zt durch F. Risch. (1967)


Charles Gal­laudet Trumbull

Christus lebt in mir

Es gibt nur ein Über­winder­leben, und das ist das Leben Jesu Christi. Jed­er­mann kann dieses Leben haben; jed­er kann es leben.

Ich meine nicht, dass jed­er Chris­tus ähn­lich sein kann. Ich meine etwas viel Besseres als das. Auch meine ich nicht, dass ein Men­sch immer die Hil­fe Christi haben kann; ich meine etwas Besseres als das. Ich meine auch nicht, dass jemand Kraft von Chris­tus bekom­men kann. Ich meine etwas viel Besseres als Kraft. Auch meine ich damit nicht, dass ein Men­sch nur erret­tet wer­den soll von sein­er Sünde und be­wahrt bleiben vor dem Sündi­gen. Ich meine etwas Besseres als selb­st diesen Sieg.

Um zu erk­lären, was ich meine, muss ich euch ein­fach eine sehr per­sön­liche, frisch erlebte Erfahrung von mir selb­st bericht­en. Ich glaube kor­rekt zu sein, wenn ich sage, dass ich mehr als die meis­ten Men­schen etwas weiß von Ver­sagen, von Ver­rat und Entehrung Christi, von Unge­hor­sam gegen himm­lis­che Offen­barun­gen, von bewusstem Zurück­bleiben hin­ter dem, was ich andere erre­ichen sah und was, wie ich genau wusste, Chris­tus auch von mir erwartete. Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich ger­ade hier ein­hal­ten müssen und hätte nur der Hoff­nung Aus­druck geben kön­nen, dass ich eines Tages aus all dem Jam­mer in etwas Besseres heraus­geführt würde. Wenn ihr mich nach dem Wie gefragt hät­tet, so hätte ich antworten müssen, ich weiß es nicht. Aber dank Sein­er Lang­mut und Geduld, Sein­er unendlichen Liebe und Barmherzigkeit, muss ich hier nicht abbrechen, son­dern kann fort­fahren und euch etwas anderes erzählen als eine ärm­liche Geschichte von per­sön­lichem Ver­sagen und Enttäuschung.

Ehe die neue Erfahrung von Chris­tus ein­trat, von der ich euch bericht­en werde, lagen die bewussten Män­gel meines Lebens klar genug zu Tage:

  1. Es gab große Schwankun­gen in meinem geistlichen Leben, in mein­er ver­bor­ge­nen Gemein­schaft mit Gott. Manch­mal schwebte ich auf geistlichen Höhen, zu an­ deren Zeit­en lag ich tief unten. Eine geistesstarke, aufrüt­telnde Ver­samm­lung, eine bewe­gende, ein­dringliche An­sprache eines geheiligten, sieghaften christlichen Leit­ers, ein gründlich­es, geis­ter­fülltes Buch oder die Verpflich­tung für mich, ein schwieriges Stück christlichen Dien­stes zu tun, mit der Gebetsvor­bere­itung, die dazu erforder­lich war – das alles hob mich in die Höhe, und ich blieb droben – für eine Weile –, und Gott schien mir sehr nahe und mein geistlich­es Leben tiefge­hend zu sein. Aber es dauerte nicht an. Manch­mal durch ein auf­fal­l­en­des Ver­sagen in ein­er Ver­suchung, manch­mal auch durch einen schrit­tweisen Prozess des Nieder­gangs ver­lor ich meine besten Erfahrun­gen und fand mich zurück­ge­wor­fen auf ein niedriges Niveau.
    Es schien mir, dass es mir möglich sein sollte, dauernd auf ein­er hohen Ebene ver­trauter Gemein­schaft mit Gott zu leben, wie ich es bei bes­timmten anderen Men­schen sah, im Unter­schied zu mir. Diese Men­schen waren aller­dings außergewöhn­lich; sie waren eine Min­der­heit unter den Chris­ten, die ich kan­nte. Aber ich wün­schte, dieser Min­der­heit anzuge­hören. Und warum soll­ten wir nicht alle dabei sein, damit sie so in eine Mehrheit ver­wan­delt würde?
  2. Ein ander­er offen­bar­er Man­gel in meinem Leben bestand in der Tat­sache, dass ich Gewohn­heitssün­den unter­lag. In bes­timmten Din­gen kämpfte ich keinen siegre­ichen Kampf. Wenn freilich Chris­tus nicht den Sieg bedeutete, wozu dien­ten dann meine christlichen Glaubensüberzeu­gungen und mein Beken­nt­nis? Ich schaute nicht aus nach Vol­lkom­men­heit. Aber ich war überzeugt, dass ich befä­higt wer­den kön­nte, auf bes­timmten Gebi­eten meis­tens, ja immer zu über­winden, anstatt dass die nur unsich­er und gele­gentlich errun­genen Siege unter­mengt waren mit erdrück­enden und erniedri­gen­den Nieder­la­gen. Wohl hat­te ich, ach so ernst, um Erlö­sung gebetet, aber die endgültige Befreiung war nicht eingetreten.
  3. Ein drit­ter offen­bar­er Man­gel bestand auf dem Gebi­et dynamis­ch­er, überzeu­gen­der geistlich­er Kraft, die wun­derbare Wand­lun­gen im Leben ander­er bewirkt hätte. Ich tat eine Menge christlich­er Arbeit, wie schon immer, seit ich ein fün­fzehn­jähriger Junge war. Ich tat sie schließlich gewohn­heitsmäßig (jawohl, das kann jed­er). Ich übte auch Seel­sorge, die schw­er­ste Arbeit von allen: ich sprach mit den Men­schen unter vier Augen über ihre Hingabe an Chris­tus. Aber ich sah keine Resul­tate. Manch­mal, ganz sel­ten, kon­nte ich wohl etwas sehen, was einem Ergeb­nis nahe zu kom­men schien, aber nur eine Spur. Ich erlebte nicht, dass durch meine Arbeit Men­schen­leben für Chris­tus gewon­nen, rev­o­lu­tion­iert und in Feuer­brände für Ihn ver­wan­delt wur­den; und es schien mir doch, als sollte es durch mich geschehen. Andern gelang es, warum nicht mir? Ich tröstete mich mit der alten, so oft vom Teufel gebraucht­en Ver­sicherung, es sei mir nicht bes­timmt, Resul­tate zu sehen; das könne ich get­rost dem Her­rn über­lassen, wenn ich nur das Meinige täte. Aber das befriedigte mich nicht, und mein Herz war zuweilen krank über der geistlichen Unfrucht­barkeit meines Dienstes.


Unge­fähr vor einem Jahr begann ich auf ver­schiede­nen Wegen Andeu­tun­gen zu erhal­ten, dass gewisse Men­schen, zu denen ich auf­schaute, weil sie augen­fäl­lig geseg­net waren in ihrem christlichen Dienst, anscheinend einen Begriff oder ein Bewusst­sein von Chris­tus hat­ten, das mir fehlte – erhaben­er, größer, tiefer als irgen­dein Gedanke, den ich je von Chris­tus gehabt hat­te. Ich rebel­lierte gegen diese Ein­gebung, als sie mich das erste Mal befiel. Wie kon­nte irgend jemand eine bessere Idee von Chris­tus haben als ich? (Ich ent­blöße hier­mit vor euch die blind­en und selb­stzufriede­nen Regun­gen meines durch die Sünde abges­tumpften Geistes und Herzens.) Glaubte ich nicht an Chris­tus und betete ihn an als Sohn Gottes, der eins war mit Gott? Hat­te ich ihn nicht vor mehr als zwanzig Jahren als meinen per­sön­lichen Hei­land angenom­men? Glaubte ich nicht, dass in ihm allein ewiges Leben zu find­en sei? Und ver­suchte ich nicht, in seinem Dienst zu leben, indem ich mein Alles für ihn gab? Erbat ich nicht ständig seine Hil­fe und Führung, und glaubte ich nicht, dass er meine einzige Hoff­nung sei? Ver­focht ich nicht die Sache selb­st, näm­lich die höch­st­mögliche Wert­schätzung Christi, indem ich in den Spal­ten der Sonntags­schulzeitung eine Diskus­sion leit­ete über die Got­theit Chris­ti, in welch­er die führen­den Bibel­gelehrten der Welt ihren per­sön­lichen Glauben an Chris­tus als Gott bezeugten? Das alles tat ich; wie war dann ein höher­er oder besser­er Begriff Christi möglich als der meine? Ich wusste, dass ich ihm weit bess­er dienen müsse als je bish­er; aber dass mir ein neues Begreifen sein­er Per­son von­nöten war, das wollte ich nicht zugeben.

Und doch kam es immer wieder auf mich zu, aus Rich­tun­gen, die ich nicht überse­hen kon­nte. Ich hörte von einem vollmächti­gen Predi­ger eine Ansprache über das The­ma «… zur Aufer­bau­ung des Leibes Christi, bis wir alle hinankom­men zur Ein­heit des Glaubens und der Erken­nt­nis des Sohnes Gottes, zum vollen Man­nesalter, zum Maß der Fülle Christi» (Eph. 4,12+13). Und als ich dem nachging, war ich erstaunt und ver­wirrt. Ich kon­nte dem Predi­ger nicht fol­gen; was er sagte, ging über meinen Hor­i­zont. Er sprach von Chris­tus und ent­fal­tete sein Wesen in ein­er Weise, die mir, wie ich zugeben musste, völ­lig unbekan­nt war. Ob er Recht oder Unrecht hat­te, war ich an dem Abend noch nicht bere­it zu entschei­den. Hat­te er aber Recht, so hat­te ich Unrecht. – Später las ich eine andere Predigt von dem­sel­ben Mann über den paulin­is­chen Chris­tus­be­griff. Gle­ich als ich sie las, war ich mir der­sel­ben unbe­haglichen Ein­sicht be­wusst, dass er und Paulus von einem Chris­tus rede­ten, den ich ein­fach nicht kan­nte. Kon­nten sie der Wahrheit näher sein als ich? Und wenn ja, wie kon­nte ich ihre Erken­nt­nis bekommen?

Eines Tages machte ich die Bekan­ntschaft eines andeen Pfar­rers, dessen Arbeit unter Män­nern reich geseg­net wor­den war. Ich erfuhr von ihm: Was er für seinen stärk­sten geistlichen Aktiv­posten hielt, das war sein ständi­ges Be­wusstsein der wirk­lichen Gegen­wart Jesu. Nichts erhob ihn so, sagte er, als die leb­hafte Empfind­ung, dass Jesus immer bei ihm war, in wirk­lich­er Gegen­wart, und dass diese Tat­sache unab­hängig war von seinen eige­nen Gefühlen, seinen Ver­di­en­sten und seinen Vorstel­lun­gen, wie Chris­tus seine Gegen­wart offen­baren würde. Noch mehr, er sagte, Chris­tus sei die Heimat sein­er Gedanken. Sobald sein Geist frei war von anderen Gegen­stän­den, wandte er sich zu Chris­tus; und er sprach laut mit ihm, wenn er allein war – auf der Straße oder irgend­wo –, so leicht und natür­lich wie mit einem men­schlichen Fre­und. So real war ihm die Gegen­wart Jesu.

Einige Monate später war ich als Teil­nehmer auf der Welt­mis­sion­skon­ferenz in Eding­burgh. Und ich sah, dass ein Mann, dessen Schriften mir viel geholfen hat­ten, am Sonn­tagnachmittag zu Män­nern sprechen sollte über «die Quellen des christlichen Lebens». Begierig ging ich hin, um ihn zu hören. Ich erwartete, dass er eine Rei­he von bes­timmten Regeln geben würde, die wir befol­gen kön­nten, um unser christlich­es Leben zu stärken; und ich wusste, dass ich diese Regeln brauchte. Aber seine Anfangsworte zeigten mir mein Missver­ständ­nis, während sie zugle­ich mein Herz in ein­er neuen Freude sprin­gen ließen. Was er sagte, war unge­fähr das: «Die Quelle des christlichen Lebens, meine Fre­unde, ist nie­mand anders als – Jesus Chris­tus selb­st». Das war alles, aber es war genug. Ich hat­te es noch nicht ganz erfasst. Aber es war genau das, was all diese Män­ner mir bish­er zu sagen ver­sucht hat­ten. Als ich später mit dem Red­ner über meine per­sön­lichen Nöte und Schwierigkeit­en sprach, sagte er ernst und ein­fach: «O, Herr T., wenn wir nur auf Chris­tus zuge­hen wür­den in einem viel küh­neren Glauben, kön­nte er so viel mehr für uns tun!»

Bevor ich Großbri­tan­nien ver­ließ, wurde ich noch ein­mal mit diesem Gedanken kon­fron­tiert, der mir zu hoch war, mit einem Chris­tus, den ich noch nicht kan­nte, und zwar in ein­er Predigt, die ein Fre­und von mir an einem Son­ntagabend im Juni in sein­er Lon­don­er Kirche hielt. Sein Text war ein Vers aus Philip­per 1: «Chris­tus ist mein Leben.» (V. 21). Es war das gle­iche The­ma, die Ent­fal­tung des Lebens, das Chris­tus ist: Chris­tus als das ganze Leben und das einzige Leben. Ich ver­stand nicht alles, was er sagte, hat­te aber wieder den vagen Ein­druck, dass das, worüber er sprach, nicht mein Eigen­tum war. Doch ich wün­schte die Predigt noch ein­mal zu lesen und nahm das Manuskript mit mir, als ich ihn verließ.

Unge­fähr Mitte August kam eine Krise über mich. Ich nahm teil an ein­er Jugend­mis­sion­skon­ferenz und sah mich ein­er Woche voll täglich­er Arbeit gegenüber, für die ich, wie ich wusste, erbärm­lich, ja hoff­nungs­los ungeeignet und un­ausgerüstet war. Denn die weni­gen Wochen zuvor waren eine mein­er Peri­o­den des geistlichen Tief­s­tandes, nicht der Erhe­bung gewe­sen, mit allem Ver­lust, Ver­sagen und Unter­liegen, das eine solche Zeit unver­mei­dlich mit sich bringt.

Gle­ich am ersten Abend, den ich dort ver­lebte, sprach ein Mis­sions­bischof zu uns über das «Wass­er des Lebens». Er sagte uns, dass es Christi Wun­sch und Absicht für jeden sein­er Nach­fol­ger ist, eine Quelle erquick­enden, strö­menden Lebenswassers für andere zu sein, und zwar nicht unter­brochen, son­dern mit anhal­ten­dem und unwider­stehlichem Erguss. Wir haben Christi eigenes Wort dafür, sagte er, indem er zitierte: «Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, aus dessen Leib wer­den Ströme lebendi­gen Wassers fließen». Er zeigte, wie einige nur ein wenig von diesem Lebenswass­er haben – sie brin­gen es her­vor in kleinen Eimern und nur in Zwis­chen­räu­men, wie die Berieselungs­wasserräder Indi­ens mit aller­hand Geknirsche und Ge­quietsche, während es vom Leben ander­er fortwährend aus­ge­ht in einem Leben brin­gen­den und über­re­ichen Strom, den nichts aufhal­ten kann. Und er beschrieb eine kleine alte Einge­borene im Osten, deren wun­der­bar­er Zeu­gen­di­enst für Chris­tus uns alle beschämte, die zuhörten. Dabei hat­te sie Chris­tus erst ein Jahr gekan­nt! Am näch­sten Mor­gen, einem Son­ntag, war ich allein in meinem Zim­mer. Da betete ich es durch mit meinem Gott, indem ich ihn inständig bat, mir den Ausweg zu zeigen. Wenn es ein Ver­ständ­nis Christi gab, das mir fehlte und das ich brauchte, weil es das Lebens­ge­heim­nis einiger dieser Men­schen war, die ich gese­hen oder von denen ich gehört hat­te, ein Ver­ständ­nis, bess­er als irgen­deines, das ich bish­er hat­te, und das über meinen Hor­i­zont ging, so bat ich Gott, es mir zu geben. – Ich hat­te die Predigt bei mir, die ich gehört hat­te, über «Chris­tus ist mein Leben». Ich erhob mich von meinen Knien und las sie gründlich durch. Dann betete ich wieder. Und Gott in sein­er lang ertra­gen­den Geduld, Verge­bungs­bere­itschaft und Liebe gab mir, worum ich bat. Er gab mir einen neuen Chris­tus, völ­lig neu im Begreifen und im Bewusst­sein, das nun mein eigen wurde.

Worin bestand die Wand­lung? Es ist schwierig, sie in Worte zu fassen, und doch ist sie so neu, so real, so wun­der­bar, nicht allein in meinem Leben, son­dern auch im Leben ander­er! Um damit zu begin­nen: Zum ersten Mal erfasste ich, dass die vie­len Bezeu­gun­gen im Neuen Tes­tament: «Chris­tus in euch», «ihr in Chris­tus», «Chris­tus, un­ser Leben» und das «Bleiben in Chris­tus» wörtliche, wirk­liche, geseg­nete Tat­sachen und nicht etwa Bilderrede sind. Johannes 15 – wie vib­ri­erte dieses Kapi­tel von neuem Le­ben, als ich es jet­zt las! Eben­so Eph­eser 3,14–21 und Gala­ter 2,20 und Philip­per 1,21! Was ich meine, ist fol­gen­des: Ich hat­te immer gewusst, dass Chris­tus mein Ret­ter war; aber ich hat­te zu ihm aufgeschaut als zu einem außen stehen­den Ret­ter, zu einem, der sein Erlö­sungswerk für mich tat von außen her, der gewis­ser­maßen bere­it war, dicht an meine Seite zu treten und bei mir zu bleiben, um mir in allen Nöten zu helfen, mir Kraft, Stärke und Ret­tung zu schenken. Aber jet­zt wusste ich etwas Besseres: Endlich erfasste ich, dass Jesus Chris­tus wirk­lich und wörtlich in mir war, ja mehr noch: dass er sich selb­st einge­set­zt hat­te als mein eigent­liches Leben, indem er mich zu ein­er Ein­heit mit sich ver­band – meinen Leib, meine Seele und meinen Geist –, während ich noch mein Ich­be­wusst­sein, meinen freien Willen und meine volle sit­tliche Ver­ant­wor­tung behielt. War das nicht bess­er, als ihn nur als Helfer, bess­er sog­ar, als ihn als äußer­lichen Erlös­er zu haben – näm­lich ihn selb­st zu besitzen, Jesus Chris­tus, Gott den Sohn, als mein eigenes, wahres Leben? Das bedeutete, dass ich ihn nie wieder zu bit­ten brauchte, mir zu helfen, als wäre er der eine und ich ein ander­er, son­dern vielmehr ein­fach sein Werk zu tun, sei­nen Willen in mir, mit mir und durch mich. Mein Leib war sein, meine Seele, mein Wille, mein Geist sein, und nicht nur sein Eigen­tum, son­dern wörtlich ein Teil von ihm. Er bat mich zu erken­nen: «Ich bin mit Chris­tus gekreuzigt, und nicht mehr ich lebe, son­dern Chris­tus lebt in mir.» Jesus Chris­tus hat­te sich selb­st als mein Leben einge­set­zt – und das, wohlge­merkt, nicht als eine Redewen­dung, son­dern als wörtliche, reale Wirk­lichkeit, so unbe­stre­it­bar wie die Tat­sache, dass irgen­dein Baum zu dem Tisch gemacht wurde, auf dem jet­zt meine Hand ruht. Denn «eure Leiber sind Glieder Christi», und «ihr seid der Leib Christi». Wun­dern wir uns, dass Paulus mit strahlen­der Freude jubel­nd sagen kon­nte: «Zu leben bedeutet für mich Chris­tus»? Er sagte nicht, wie ich es missver­standen hat­te: „Zu leben bedeutet für mich, Chris­tus ähn­lich zu wer­den.” Auch nicht: „Zu leben bedeutet für mich, die Hil­fe Christi zu haben.” Auch nicht: „Zu leben bedeutet für mich, Chris­tus zu dienen.” Nein, er stößt durch und über das alles hin­aus in den küh­nen, her­rlichen und geheimnisvollen Ruf: «Zu leben ist für mich Chris­tus!». Ich hat­te diesen Vers vorher nie ver­standen. Jet­zt erst, da Chris­tus sich selb­st mir geschenkt hat, dank dieser Gabe beginne ich einen Schim­mer seines wun­der­baren In­halts zu ahnen.

So weiß ich nun für mich selb­st, dass es ein Leben im Sieg gibt. Es ist das Leben Jesu Christi. Und es kann ohne weit­eres unser Leben sein, wenn wir – in völ­lig bedingungs­loser Hingabe unseres Ichs an Ihn, unseres Wil­lens an seinen Willen, so dass er der Herr unseres Lebens wird in gle­ichem Maß wie unser Erlös­er – wenn wir ihn so bei uns ein­treten lassen, uns in Besitz nehmen, uns über­wälti­gen, ja uns mit ihm selb­st erfüllen lassen «bis zu der ganzen Gottesfülle».

Was war nun das Ergeb­nis? Gab mir diese Erfahrung ein neues intellek­tuelles Ver­ständ­nis Christi, inter­es­san­ter und befriedi­gen­der als vorher? Wenn es nur das wäre, hätte ich euch heute wenig zu sagen. Nein! Es bedeutete ein ganz umgekrem­peltes, grundle­gend verän­dertes Leben nach innen und außen. « Ist jemand in Chris­tus » (ihr ken­nt dieses Wort), «so ist er eine neue Schöpfung»!

Glaubt nicht, dass ich eine missver­standene, unausge­wogene The­o­rie vertrete, dass ein Men­sch nicht wieder sün­digen könne, wenn er Chris­tus als die Fülle seines Lebens angenom­men hat. Das Leben, das Chris­tus ist, lässt uns noch unseren freien Willen. Mit diesem freien Willen kön­nen wir Chris­tus wider­ste­hen; und mein Leben hat seit der neuen Erfahrung, von der ich spreche, Sün­den solchen Widerstan­des verze­ich­net. Aber ich habe gel­ernt, dass die Wiederher­stellung nach dem Fall über­natür­lich geseg­net, augenblick­lich und vol­lkom­men sein kann. Ich habe gel­ernt: Indem ich in der Hingabe ganz auf Chris­tus ver­traue, brauche ich nicht mehr gegen die Sünde zu kämpfen. Ich habe gel­ernt, dass diese Frei­heit, dieses «mehr als Sieger sein» aufrecht erhal­ten wird in unge­broch­en­er Fort­dauer, indem ich ein­fach anerkenne, dass Chris­tus das Leben ist, das mich reinigt und regiert.

Die drei großen Män­gel oder Nöte, von denen ich am Anfang sprach, sind wun­der­bar behoben:

  1. Es ent­stand eine Gemein­schaft mit Gott, äußerst ver­schieden von allem, was ich in meinem ganzen Leben zuvor gekan­nt hat­te, und unendlich viel besser.
  2. Über gewisse Gewohn­heitssün­den, die alt­bekan­nten, die immer wieder mein geistlich­es Leben abdrossel­ten und mich scheit­ern ließen, erlebte ich eine völ­lig neue Art von Sieg – Sieg durch Frei­heit –, wenn ich mich nur ganz auf Chris­tus ver­ließ, dass Er mich in dieser Frei­heit erhält.
  3. Und zulet­zt: Die geistlichen Fol­gen in meinem Dienst ließen mich der­art an der Freude des Him­mels teil­haben, wie ich es auf Erden nie für möglich gehal­ten hätte. Sechs mein­er ver­trautesten Fre­unde, die meis­ten reife Chris­ten, hat­ten bald ihr Leben durch Chris­tus völ­lig umgestal­tet, indem sie ihn in dieser neuen Weise ergrif­f­en und ihn auf­nah­men bis zur ganzen Gottes­fülle. Zwei von ihnen waren Mut­ter und Sohn, dieser let­ztere ein junger Geschäfts­mann im Alter von 25 Jahren. Ein ander­er war Gen­eraldirek­tor eines der großen Geschäft­shäuser in Philadel­phia. Obwohl seit Jahren ein entsch­ieden­er und aktiv­er Christ, begann er jet­zt, Chris­tus Raum zu geben, dass er sich durch ihn in neuer Weise auswirken kon­nte im Leben sein­er vie­len Mitar­beit­er und Geschäftsvertreter über das ganze Land hin­weg. Ein weißhaariger Mann von über 70 Jahren fand Frieden im Leben und Freude im Gebet, Dinge, die er schon lange als für ihn unmöglich aufgegeben hat­te. Das Leben wim­melt richtig von Wun­der­be­weisen dafür, was Chris­tus im Leben ander­er Men­schen tun will durch jeden, der ihm ein­fach den Schlüs­sel aushändigt für seine völ­lige Innewohnung.

Jesus Chris­tus will nicht nur unser Helfer, er will unser Leben sein. Er will nicht, dass wir für ihn arbeit­en; er wün­scht, dass wir ihn sein Werk tun lassen durch uns, indem er uns gebraucht, wie wir einen Schreib­s­tift gebrauchen – genauer gesagt: indem er uns gebraucht als einen Fin­ger an sein­er Hand. Wenn unser Leben nicht nur Chris­tus gehört, son­dern Chris­tus selb­st ist, dann wird es zu einem sieg­reichen Leben; denn Er kann nicht ver­sagen. Und ein Leben im Sieg ist zugle­ich ein frucht­tra­gen­des und dienen­des Leben. Denn trotz allem ist das Über­winden nur ein klein­er, lediglich das Neg­a­tive betr­e­f­fend­er Teil des Lebens. Wir wer­den auch Frucht brin­gen im Charak­ter und im Dienst, wenn Chris­tus unser Leben ist. «Er kann sich selb­st nicht ver­leug­nen»: Er kam nicht, um sich dienen zu lassen, son­dern um zu dienen. Eine völ­lig neue Art von Dienst begin­nt jet­zt für uns, da wir Chris­tus anderen dienen lassen durch uns, indem er uns gebraucht. Und all dieses selbstverständ­liche, immer­währende Frucht­tra­gen und Dienen geschieht durch den Glauben an ihn. Unsere Tat­en sind die Folge seines Lebens in uns, nicht die Bedin­gung oder das Geheim­nis oder die Ursache dieses Lebens. Haben wir die Grundbe­din­gung erfüllt und Chris­tus per­sön­lich als unseren Ret­ter angenom­men, der uns durch seinen Tod als unser Stel­lvertreter und Sün­den­träger erlöst hat von der Schuld und den Fol­gen unser­er Sünde, dann bleiben nur noch zwei ein­fache Voraus­set­zun­gen übrig, um Chris­tus so als die Fülle des Lebens zu empfangen.

  1. Wir wollen uns völ­lig und bedin­gungs­los hingeben an Chris­tus als den Her­rn alles dessen, was wir sind und was wir haben. Dabei sagen wir Gott, dass wir jet­zt bere­it sind, dass nur sein Wille geschehe in unserem ganzen Leben, in jed­er Beziehung, um jeden Preis.
  2. Wir wollen glauben, dass Gott uns völ­lig frei gemacht hat von dem Gesetz der Sünde (Röm. 8,1+2). Er will es nicht tun, son­dern er hat es getan. Von diesem zweit­en Schritt, dem stillen Akt des Glaubens, hängt nun alles ab. Der Glaube muss Gott ver­trauen, auch wenn nichts zu fühlen ist und nichts bewiesen wer­den kann. Denn Gottes Wort ist sicher­er, bess­er und gewiss­er als irgen­dein augen­fälliger Beweis für sein Wort. Wir müssen, wenn nötig, in nack­tem und „kaltem” Glauben sagen: „Ich weiß, dass mein Herr Jesus alle meine Män­gel jet­zt erstat­tet (sog­ar meinen Man­gel an Glauben), weil seine Gnade für mich aus­re­icht.” (Siehe 2.Kor. 12,9)

Und denke daran, dass Chris­tus selb­st bess­er ist als ir­gendeine sein­er Seg­nun­gen, bess­er als Kraft oder Sieg oder als der Dienst, den er uns gewährt. Chris­tus bewirkt geist­liche Kraft, aber Er ist bess­er als diese Kraft. Er ist das Beste Gottes; er ist Gott. Und wir dür­fen dieses Beste haben, wir dür­fen Chris­tus haben, indem wir uns ihm über­lassen in voll­ständi­ger Auf­gabe unseres Selb­st, so dass nicht mehr länger wir leben, son­dern Chris­tus in uns lebt. Willst du ihn so annehmen?


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