DAS EBENBILD GOTTES
Der unsichtbare Gott, der Geist ist, hat den Menschen als seinen höchsten Ausdruck und sein eigenes Gegenüber erschaffen. Deshalb gestaltete er uns nach seiner Art (vgl. Apg. 17,28f). Adam und Eva hätten nur noch vom Baum des Lebens essen müssen, um Gottes Leben (das ewige Leben) aufzunehmen, dann wären sie fähig gewesen, sein unsichtbares Wesen auf einzigartige Weise zum Ausdruck zu bringen und in eine Partnerbeziehung mit ihm hineinzuwachsen. Aber weil der Mensch seinem Gott das Vertrauen entzogen und sich mit Satan eingelassen hat, kam es zur Katastrophe: Die Liebesbeziehung zwischen Gott und Mensch zerbrach, der Mensch nahm etwas von der Natur Satans in sich auf (1.Mose 3,6), der geistliche Tod trat ein (1.Mose 2,17), und dann zerstörten Selbstschutz, Selbstbehauptung, Selbstbewusstsein, Selbstzufriedenheit, Selbstgerechtigkeit, Selbstherrlichkeit und alle anderen Formen von Selbstliebe und Selbstsucht das Ebenbild Gottes. Das satanische Element in uns (Röm. 7,17f) bringt nun, ausgehend vom Egoismus, alle nur denkbaren schlechten Eigenschaften und verbrecherischen Taten in der Menschheit hervor. So haben wir Gott verloren, sind nur noch bruchstückhaft sein Ebenbild und sind als ganze menschliche Rasse für ihn unannehmbar geworden.
Die gute Nachricht ist, dass jeder von uns durch Glauben an Jesus Christus zu seiner Bestimmung zurückkommen und ein Mensch nach Gottes Herzen werden kann – durch einen Vorgang der Transformation oder Umwandlung, den die Bibel „Heiligung” nennt. Heilig zu werden bedeutet nichts anderes, als dass wir den Charakter Gottes erhalten, dass wir werden wie er. Wie ist Gott? Er ist gut, er ist Liebe. Also werden auch wir Liebe! Vorausgesetzt, wir nehmen die Erlösung, die Jesus am Kreuz errungen hat, ganz persönlich in Anspruch. Indem Gott uns seine eigene Heiligkeit schenkt, kann er durch seinen Geist aus uns Menschen machen, die wirklich zu ihm passen (3.Mose 19,2). Alle geheiligten Gläubigen werden ihn zusammen als sein Leib in ganzer Fülle zum Ausdruck bringen und für immer sein ideales Gegenüber, sein niemals überbietbares Meisterwerk sein („sein Gedicht”: Eph. 2,10 wörtl.). Und zwar noch viel herrlicher, als es in der ersten Schöpfung, im Garten Eden, möglich gewesen wäre! Das alles ist kein Traum, sondern wirklich wahr. Und zwar deshalb, weil Gott in Christus ein so umfassendes Erlösungswerk vollbracht hat.
Jesus ist nicht nur als das Lamm gestorben, damit unsere Sünden vergeben und wir mit Gott versöhnt werden können. Er ist auch als ein Weizenkorn in die Erde gefallen (Joh. 12,24), um viele Weizenkörner seiner Art, mit allen seinen Eigenschaften, hervorzubringen (1.Joh. 3,2). Im Heiligungsprozess werden wir von innen heraus ganz neu hervorgebracht. Unsere typische Persönlichkeitsstruktur bleibt dabei erhalten, aber wir werden neu aufgebaut in einer kostbaren, unvergänglichen „Substanz“. Wie wenn Holz in Edelstein nachgebildet wird: jede Zelle, jede Faser. (Ein Gleichnis dafür sind die uralten Baumstämme aus Edelstein in Arizona.) Unbedingte Voraussetzung für unsere Heiligung ist, dass wir das größte aller Geschenke empfangen, das der Mensch am Anfang missachtet hat: Gott selbst als das ewige Leben. Wir erhalten dieses Geschenk, indem wir Christus, das lebendige „Wort Gottes“, in unser tiefstes Sein aufnehmen (Joh. 1,1–13). Christus ist selbst „der wahrhaftige Gott und das ewige Leben“(1.Joh. 5,20). Deshalb: „Wer den Sohn hat, der hat das Leben“ (1.Joh. 5,12). Wir nehmen ihn auf, indem wir glaubend, mit einem offenen Herzen, Gottes Wort erfassen. Wenn dies zum ersten Mal geschieht, kommt er durch sein Sprechen als Same des ewigen Lebens in uns hinein, und so ereignet sich das Wunder unserer neuen Geburt aus Gott (Joh. 3,3–6). Von da an sind wir real Gottes Kinder, mit seinen Genen!
Nachdem wir von neuem geboren und eine neue Schöpfung geworden sind (2.Kor. 5,17), können wir uns Tag für Tag fortschreitend zu dem wunderbaren Menschen entwickeln, der wir nach dem Plan unseres Schöpfers eigentlich sind. Gott erreicht dieses Ziel dadurch, dass Christus durch seinen Geist in uns lebt und in uns Gestalt gewinnt (Gal. 2,20 und 4,19). Dafür müssen wir unseren menschlichen Geist ständig mit dem Wort Gottes ernähren (Jer. 15,16); denn das lebendige Wort der Wahrheit (nicht der tote Buchstabe!) ist auch das Mittel, durch das Gott uns heiligt (Joh. 17,17). Er will seine Gedanken und sein Wesen direkt in uns hineinsprechen. Unser innerer Mensch braucht dieses persönliche Sprechen Gottes ebenso unbedingt, wie unser Körper Nahrung braucht (Matth. 4,4). – Das, was Gott uns sagt, erneuert unser Denken, unsere Gesinnung, und das neue Denken führt zur Veränderung des Charakters (Röm. 12,2), bis man uns in jedem Aspekt unserer Persönlichkeit als Seine Kinder erkennen kann (Joh. 1,12; Matth. 5,45; Eph. 5,1f). Deshalb sollten wir, wenn wir zum Wort Gottes kommen, erwarten, dass Gott wirklich zu uns spricht.
Nach dem Hören geht es dann um das Tun, um unseren Lebensvollzug. Solange wir dem Wort Gottes und dem neuen Leben in uns Raum geben und seinen Impulsen glaubend bis in die praktischen, alltäglichen Kleinigkeiten hinein folgen, verändern wir uns. Wer Jesus so von Herzen nachfolgt, kann den Prozess der Heiligung in vollem Umfang und zeitgerecht durchlaufen. Jüngerschaft bedeutet also: In Liebe ständig auf Jesus hören („Meine Schafe hören meine Stimme”, Joh. 10,27) und Schritt für Schritt tun, was er uns im Moment sagt bzw. schon früher als Grundsatz ans Herz gelegt hat. (Sein Sprechen kennt jeder Mensch: Gott redet z.B. durch das Gewissen oder lässt uns etwas durch Intuition verstehen.) Zur Jüngerschaft gehört, dass wir unser Selbst verleugnen (d.h. uns immer wieder gegen das „Fleisch“, unser gottloses natürliches Seelenleben und unseren ganzen unverbesserlichen alten Menschen entscheiden) und dass wir unser Kreuz (d.h. die Lebensumstände, durch die unser verdorbenes Wesen unter Gottes weiser Aufsicht ausgeschaltet bzw. unwirksam gemacht werden soll) täglich auf uns nehmen (Mt. 16,24).Auf diesem Weg werden wir dem erstgeborenen Sohn Gottes gleichgestaltet (Röm. 8,29) oder, anders gesagt, wir wachsen bis zur Reife im göttlichen Leben (siehe z.B. 1.Petr. 2,2 und Eph. 4,13–15). Das ganze Werk geschieht durch den heiligen Geist (2.Kor. 3,18; Röm. 15,16).
Gott sagt, dass wir „der Heiligung nachjagen”, d.h. sie mit höchstem Einsatz anstreben sollen, weil ohne Heiligung kein Mensch ihn sehen wird (Hebr. 12,14) und ohne Heiligung auch keiner vor ihm bestehen kann (Mt. 22,11–14). Die Heiligung soll nicht irgendwann in einer nebulösen Zukunft, sondern jetzt vollendet werden (2.Kor. 7,1).
Der erfolgreiche Prozess der Umgestaltung hängt auch davon ab, dass wir, wie es für einen Jünger Jesu normal ist, Gott dienen (Röm. 6,22), und zwar nicht auf eigene Faust, sondern unter der Leitung des Geistes und in Seiner Kraft. Also: Jeder Gläubige, der dem Herrn treu nachfolgt und Gott dient, wird wieder sein Ebenbild.
Wundert es uns, dass eine so radikale Veränderung und Erneuerung auch einen Preis kostet, dass sie auch gewisse schmerzhafte Prozesse mit sich bringt, z.B. das Akzeptieren unangenehmer Wahrheiten über unser eigenes Herz und das Ablegen eingefleischter Gewohnheiten und schlechter Eigenschaften, ja sogar unseres gesamten alten Wesens? – Zum Zweck der Umwandlung muss alles, was unsere Persönlichkeit ausmacht, vor Gott auf den Prüfstand: unsere ganze Art zu denken, zu reden und zu handeln, unsere Gewohnheiten, unsere Ansichten, unsere Wünsche, unsere Ziele, unsere Einstellung zu Gott, zu uns selbst und den Mitmenschen, unser Verhalten gegenüber Gott, unser Umgang mit Menschen und Dingen, unser Tagesablauf, unsere Arbeit, unsere Freizeitbeschäftigungen usw. Alles muss durch die Art Jesu, die Art des Geistes, ersetzt werden. Daher ist unser Weg mit Ihm kein Spaziergang, sondern eher eine Bergtour. Der Weg führt immer wieder durch Täler und auf Gipfel, durch „Nacht“ und „Tag“, durch „Winter“ und „Sommer“, durch „Tod“ und „Auferstehung“ (vgl. z.B. 1.Kor. 15,31c; Phil. 3,10–11).
Die Schrift macht kein Geheimnis daraus, dass die Nachfolger des Herrn Jesus durch Leiden und Schwierigkeiten zu gehen haben (siehe z.B. Apg. 14,22). Als Grund dafür zeigt sie neben der Umwandlung unserer Seele (1.Petr. 4,1–2, 12‑18 etc.) und unserer Erziehung (Hebr. 12,1–11) den Hass ungläubiger Menschen. Aber „wenn wir mit Christus leiden, werden wir auch mit ihm verherrlicht.“ Und „die Leiden dieser Zeit stehen in keinem Verhältnis zu der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll“ (Röm. 8,17f).
Es steht jedoch andererseits auch geschrieben, dass die Jesus-Jünger ein Leben voller Freude haben werden, wenn sie im Glauben vorangehen: „Ihr freut euch…(trotz aller Bedrängnis) mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, die ihr das Ziel eures Glaubens erlangt, die Rettung eurer Seele” (1.Petr. 1 Verse 8–9, wörtl.).
Außer der fortschreitenden Heiligung zeigt uns die Bibel auch mit Nachdruck das augenblickliche Versetztwerden in die Erfahrung der Heiligkeit und die Tatsache, dass wir nach unserer Wiedergeburt sofort als Heilige leben können. Sobald wir durch Offenbarung erkennen, dass Christus mit allen seinen Eigenschaften wirklich in uns ist (Gal. 2,19f; 2.Kor. 13,5; Kol. 3,4), sind wir andere Menschen. Wir sehen, dass wir Christus empfangen haben als unser neues Ich, unsere neue Identität. Er ist uns geschenkt als unser Sieg in jeder Lebenslage, als unsere Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligkeit und Erlösung (1.Kor. 1,30), als unser alles. Er möchte in uns, mit uns und durch uns Gottes Willen erfüllen. Dies wird Tag für Tag unsere reale Erfahrung sein, wenn wir durch Glauben und Liebe mit Jesus eins bleiben. Doch können wir auch im Unglauben nach unserer alten Art leben und Ihn dadurch „fesseln“ bzw. niederhalten. Deshalb sagt er, dass wir „in der Wahrheit leben“ sollen (2.Joh. 4; 3.Joh. 3–4), und er fordert uns auf: „Bleibt in mir” (Joh. 15,4). Gottes Wort lehrt uns außerdem: „Haltet euch dafür, dass ihr… gestorben seid“ (Röm. 6,6–11), und: „Ihr habt den alten Menschen mit seinen Werken ausgezogen und den neuen angezogen” (Kol. 3,9f) und: „Lebt im Geist…” (Gal. 5,16) und: „Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat dich frei gemacht…” (Röm. 8,2) und: „Unser Glaube ist der Sieg…” (1.Joh. 5,4).
Nach Aussage von Matthäus 25,1–13 hängt es von unserem jetzigen Leben im Geist ab, ob wir beim Hochzeitsfest Christi mitfeiern dürfen oder nicht. Wir sehen in diesem Gleichnis 10 Jungfrauen, die „hinausgegangen” sind und mit brennenden Lampen auf den Bräutigam warten: Offenbar lauter Gläubige. Doch haben viele von ihnen nur Öl in der Lampe, während ihr „Gefäß” leer ist. Wir selbst sind das Gefäß. Es kommt darauf an, dass wir jetzt vom heiligen Geist erfüllt leben, was von unserem Glauben und unserer Liebe zu Gott abhängt. Beides zeigt sich an unserem Gehorsam dem Herrn gegenüber. Wo Er Gehorsam als Ausdruck von wahrem Glauben und wahrer Liebe findet, gibt er den Geist ohne Maß (Apg. 5,32; Joh. 3,34). – Ein echtes Kind Gottes, das von dem Hochzeitsfest ausgeschlossen wird, geht nicht ewig verloren. Aber nur zwei Gruppen von Christen dürfen an dem tausendjährigen Fest teilnehmen: a) die vollendeten Heiligen und b) diejenigen Gläubigen, die heute von Jesus lernen, in ihrem praktischen Leben täglich zu „überwinden”, d.h. das Selbst zu verleugnen und ihr Kreuz auf sich zu nehmen. Wer sich, obwohl er von neuem geboren wurde, während seines irdischen Lebens ständig der Erziehung und Umwandlung durch Gott widersetzt oder entzogen hat, dem wird noch „Leid geschehen von dem zweiten Tod”, d.h. dem „Feuersee“ (Offb. 2,11 + 20,14f). Er muss unter Schmerzen seine versäumte Vorbereitung auf das ewige Reich Gottes nachholen. Er wird zwar gerettet, doch „so wie durch’s Feuer hindurch” (1.Kor. 3,12–15).
Während unseres Wachstums lernen wir also, was wahre Liebe ist, und werden in jedem Aspekt unseres Charakters zu Menschen der Liebe. Das ist möglich, denn Gott hat es gesagt. Und was er sagt, das kann er auch schaffen (Röm. 4,21). Alle Dinge sind möglich bei Gott (Mk. 10,27). Es ist auch unbedingt nötig, dass wir für immer Jesus gleich werden. Denn wie sollten wir sonst am Ende, wenn das irdische Leben vorbei ist, in seine vollkommene Herrlichkeit hineinpassen und Teil seiner Braut sein? (Offb. 19,7–9)
Dass wir zu Menschen der Liebe werden, schließt z.B. folgende Eigenschaften ein, die Gott uns durch Christus schenken will:
Gerechtigkeit
Liebe zur Wahrheit, Aufrichtigkeit, Lauterkeit
Echtheit, Reinheit, Klarheit
Gottvertrauen, Glauben
Dankbarkeit
Barmherzigkeit, Mitgefühl
Verständnis, Taktgefühl
Güte, Hilfsbereitschaft
Freundlichkeit, Herzlichkeit
Friedfertigkeit, Sanftmut
Demut, Bescheidenheit
Vergebungsbereitschaft
Besonnenheit, Weisheit
Großzügigkeit, Großmut
Selbstannahme
Selbstvergessenheit, Selbstlosigkeit, Hingabe
Leidensbereitschaft
Treue, Zuverlässigkeit, Beständigkeit,
Mut, Entschlossenheit, Standhaftigkeit
Geduld, Ausdauer, Zielstrebigkeit
Gewissenhaftigkeit, Sorgfalt, Umsicht
Fleiß, Sauberkeit, Ordnungsliebe, Pünktlichkeit
Ruhe, Selbstbeherrschung
Freude, Fröhlichkeit
Originalität, Kreativität
keine Rebellion
keine Bosheit, keine Grausamkeit, keine Streitsucht
keine Bitterkeit, kein Groll, keine Rachsucht, kein Hass
keine Frechheit, keine Grobheit oder Rücksichtslosigkeit
keine Vorurteile
kein Pessimismus, kein Zweckoptimismus
keine Übertreibung, keine unnützen Worte
keine Schwindelei, keine Halbwahrheit
keine Verschlagenheit, kein Betrug
keine faulen Kompromisse
keine Nachlässigkeit
keine Bequemlichkeit, kein Trödeln
keine Oberflächlichkeit, kein Leichtsinn
keine Vergnügungssucht oder Genuss-Sucht
keine Empfindlichkeit, keine Weichlichkeit/Selbstschonung
keine Selbstliebe (Selbstsucht), kein Selbsthass
keine Selbstüberschätzung
kein Minderwertigkeitskomplex
kein keine Eitelkeit, keine Besserwisserei
keine Arroganz/Überheblichkeit, kein Stolz/Hochmut
keine Leistungsorientierung, kein Ehrgeiz
kein Kontrollgeist, keine Dominanz (Machttrieb!)
keine Manipulation
kein Neid; kein Geiz, keine Geldliebe, kein Materialismus
keine Gier, keine Sucht
Weil Gott ein so großes Ziel mit uns hat, brauchen wir eine umfassende geistliche Versorgung. Dazu gehört auch – entscheidend wichtig! – die Gemeinschaft mit anderen Gläubigen. Diese hat vier Kernelemente: gesunde Predigten, gemeinsames Lesen in Gottes Wort mit Austausch über unsere Erfahrungen, Teilhaben am Tisch des Herrn und gemeinsames Gebet (Apg. 2,42).