Wie ich Gott fand
Ich habe im Jahr 1963, während meines Studiums in Frankreich, zu Gott gefunden. Dies war das größte und wichtigste Ereignis in meinem ganzen Leben, und ich bin dankbar, dass er mich Tag für Tag begleitet hat, bis alle Hindernisse, vor allem meine inneren Widerstände und meine Vorbehalte, überwunden waren.
Damals sah ich einerseits viel Böses, andererseits unermessliches menschliches Elend in meiner Umgebung und weltweit. Außerdem konnte ich selber trotz aller Bemühungen nicht der gute, ganz selbstlose Mensch sein, der ich sein wollte. Das alles löste schließlich Verzweiflung und eine innere Krise aus. Ich sagte mir: „Das Leben ist schön, aber auch so schrecklich! Wozu lebe ich überhaupt? Was hat das ganze Leiden und Kämpfen für einen Sinn? Wenn es keinen Sinn hat, wozu mache ich weiter? Also: Ich brauche Klarheit. Ich will die Wahrheit wissen!” Es ging nach meiner Logik darum, herauszufinden, ob es nicht doch hinter den Kulissen des Welttheaters jemanden gab, dem ich vertrauen konnte. Wenn kein höheres Wesen mit einem guten Plan hinter allem stand – jemand, der dabei war, etwas wirklich Positives aus der Menschheitsgeschichte herauszuholen –, was hatte ich noch hier verloren? Ich beschloss, meine Suche beim Nächstliegenden zu beginnen, also bei der Sinnerklärung, die im „christlichen Abendland” angeboten wird.
In der Evangelischen und Katholischen Kirche hatte ich bis dahin keine überzeugenden Antworten gefunden. Doch muss ich im Nachhinein sagen, dass ich auch nicht aufmerksam genug hingehört und aus dem Gehörten keine angemessenen Konsequenzen gezogen hatte. Abgesehen von der christlichen Unterweisung in Kirche und Schule hatte ich auch schon eine Menge anderer Beweise für Gottes Dasein, sogar für seine Weisheit und Liebe erhalten – zum Beispiel durch anrührende menschliche Begegnungen, durch den Biologie- und Physikunterricht oder durch die Schönheit in der Natur (davon spricht Römer 1,19–21). Aber ich war nur ansatzweise auf all dies eingegangen und dann als Erwachsene ganz ins Zweifeln gekommen. Nun musste ich die Frage noch einmal vom Punkt Null an aufrollen.
Ich begann damals, wirklich suchend in der Bibel zu lesen, konnte aber zunächst nichts von dem entdecken, was ich eigentlich brauchte. Schließlich schrie ich, nach meinem Empfinden ins Nichts hinein: „Gott, wenn es dich gibt, dann will ich dich kennenlernen! Dann mach bitte, dass ich dich finde!” (Ich meinte den Gott der Bibel.)
Schon nach wenigen Wochen hatte sich meine Situation vollkommen verändert. Eine solche Häufung von Zufällen, wie ich sie damals erlebte, ließ sich durch nichts mehr erklären. Ich wurde regelrecht vom Glück verfolgt. Von einem Glück, das mich seltsamerweise auch noch bestens zu kennen und zu verstehen schien! Es war so, als sollte ich getröstet und für die Leiden der vergangenen Jahre entschädigt werden. Täglich verstärkte sich der Eindruck, dass im Hintergrund eine lebendige Person war: jemand, der mich nicht nur von seiner Existenz zu überzeugen suchte, sondern auch davon, dass er ein wirkliches Gegenüber war, ein Freund, der mir immer zur Seite stand, mir das Beste gönnte, mich ernst nahm und respektierte, ja sogar als wertvoll ansah und buchstäblich um mich warb. Mein Unglaube begann wegzuschmelzen. Schließlich kam es dann dazu, dass ich über alles Gewohnte hinausging und eine einfache, aber ernst gemeinte Antwort gab.Ich kniete in meinem Zimmer nieder und sagte: „Herr, jetzt will ich nicht mehr zweifeln.” (Die Anrede „Herr” bedeutete, dass ich ihn als die höchste Autorität anerkannte.)
Im selben Moment geschah etwas Unerwartetes: Ich wusste plötzlich, dass jemand im Zimmer war. Unsichtbar. Und dann durchströmte mich eine unbeschreibliche Liebe. Diese wunderbare, glühende Liebe brachte mir schlagartig die volle Gewissheit: Da war ein lebendiges Herz! Da war Einer, dessen Gegenwart eine Atmosphäre von Freiheit, Frieden und Freude verbreitete und der vollkommene Güte ausstrahlte. Und zu dem ich unbedingt gehörte! Und nicht nur ich, sondern alle Menschen! – Als ich nach einer Weile vom Boden aufstand, fielen mir Worte der Bibel ein, die untermauerten, was ich eigentlich schon vom ersten Augenblick an wusste: Gott war mir in Jesus begegnet. [Es waren Sätze über Jesus, wie: „Er kam in sein Eigentum…” (Joh. 1,11) und: „Immanuel, das bedeutet: Gott mit uns” (Matth. 1,23) und: „Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben” (1.Joh. 5,20).] Der lebendige Gott war zu mir gekommen, in sein Eigentum, und ich hatte mich spontan für ihn geöffnet. Jesus gab mir damals die Gewissheit, dass er für immer bei mir und in mir bleiben wollte, durch seinen Geist. Und mit ihm hatte ich auch sein ewiges Leben empfangen. Dadurch war ich von Gott gezeugt worden und war nun sein Kind. Das begriff ich nicht sofort, doch fühlte ich mich wie ein ganz neuer Mensch. – Durch Jesus können wir zu Gott kommen, ohne in seiner Gegenwart zu sterben. Intuitiv erfasste ich das Geheimnis „Vater, Sohn und Geist”: ER ist ein einziger Gott, der auf drei Weisen für uns erfahrbar wird. (Später las ich einmal einen schönen Vergleich: Der Vater ist wie die Sonne am Himmel, Jesus wie die Strahlen, die uns erreichen, und der Geist wie das wohltuende, wärmende Licht, das überall Leben sprießen lässt.) Der Gott der Bibel ist der Eine, den ich bewusst oder unbewusst immer gesucht hatte. Er war und ist die Antwort auf das tiefste Verlangen meines Herzens.
Ab diesem Tag entwickelte sich eine sehr persönliche Beziehung. Er ist durch dick und dünn mit mir gegangen, hat zu mir gesprochen (durch die Bibel, durch mein Gewissen, durch Mitmenschen, die Umstände etc.), hat mir sein Herz gezeigt, meine vielen Fragen beantwortet, mir unzählige Male geholfen, mir stets gerne vergeben, mich mit Frieden und Freude erfüllt, ermutigt und getröstet und sehr verständnisvoll (oft auch mit Humor) auf Fehler, falsches Denken, schlechte Gewohnheiten etc. aufmerksam gemacht, um mich zu befreien.
Langsam erkannte ich dann, wie abgrundtief verdorben unser menschliches Herz ist. Am deutlichsten sah ich es an unserem Umgang mit Gott: wie wir ihn dauernd ausblenden, seine Liebe mit Füßen treten, seinen Willen verachten, voller Trotz rebellieren oder ihn nur vor unseren eigenen, zutiefst selbstsüchtigen Karren spannen wollen. Auch ich habe ihm vieles angetan. Einige Zeit nach jener ersten Offenbarung kam ich – entsetzt über mich selbst – mit lauter vorher unerkannten Sünden zu meinem VATER: Stolz, Undankbarkeit, Süchte etc. Das offene Bekennen führte sofort zu einer weiteren Begegnung mit Jesus, der am Kreuz für alles bezahlt hat, und zu einem neuen Anfang in seiner Freiheit, Liebe und Kraft.
Im Lauf der Jahre wurde mir die Notwendigkeit des Kreuzes überdeutlich. Wäre Jesus dort nicht für uns gestorben, dann hätte keiner von uns eine Chance, weder ich noch irgendein anderer Mensch. Meine Lebensgeschichte beweist aber, dass es für Gott keinen hoffnungslosen Fall gibt, wenn man nur aufrichtig zu ihm ist. Er kann jeden von uns durch sein Leben und die Kraft der Erlösung total neu machen. Die Geburt aus dem Geist damals, als ich Jesus aufnahm, war ein Geschenk (Joh. 3,5), und auch das Wachstum der neuen Persönlichkeit bis zur Vollendung schafft nur er, wobei er allerdings meine ständige Mitwirkung braucht.
Ich bedauere sehr, dass es später doch wieder Zeiten innerer Leere und Dunkelheit gab, weil ich nicht bereit war, seine Anweisungen zu respektieren, obwohl er auf der ganzen Linie Recht hatte. Aber indem er mich ermutigte, meine Meinung offen auszusprechen, und durch seine beharrliche, einfühlsame Überzeugungsarbeit sorgte er dafür, dass allmählich wichtige Einsichten reiften und echte Charakterveränderung geschah. Ihm verdanke ich es, dass der Kontakt trotz großer Pannen nie ganz abgerissen ist. Vielmehr nahm mein Glaube an ihn zu, während ich immer klarer erkannte: Jeder Mensch wird ins Dasein gerufen, damit er in freier Wahl „ja” sagen kann zu einer herrlichen, unvergänglichen love story mit Gott.
Dieser Gott, dem ich jetzt gehöre, hat mir in jeder Hinsicht seine Vertrauenswürdigkeit bewiesen. Er ist für mich einen qualvollen Tod gestorben, und er ist mein Leben geworden. In all den Jahren habe ich keinen Fehler an ihm gefunden. Er ist gut. Und er will jeden Menschen retten. Seine Liebe zu uns ist unfassbar groß. Mit allen Aufrichtigen, die der Wahrheit nicht ausweichen und darüber hinaus sein göttliches Angebot zu schätzen wissen, baut er ein Reich der Liebe auf. In diesem einzigartigen Reich (das in der unsichtbaren Welt schon fast vollendet ist und jetzt ans Licht kommen soll) werde ich auf ewig bei ihm sein, zusammen mit allen meinen Geschwistern, d.h. mit all denen, die ihre Erlösung angenommen haben.