Die Frage
Diese Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit
Einmal kamen zwei Theologiestudenten – nennen wir sie Jan und Sara – auf dem Weg vom Seminar zum Wohnheim in eine heiße Diskussion.
Sara meinte: „Jan, du bist doch ein intelligenter Mensch. Wie kannst du nur glauben, dass Gott vollkommen gut ist und gleichzeitig auch allmächtig? ‚Gott ist Liebe‘, heißt es. Aber sieh dir doch die Welt an! So viel Leiden, so viel Böses – und Gott schaut zu! Ich sage: Entweder kann er das alles nicht verhindern, dann ist er nicht allmächtig; oder er will es nicht verhindern, dann ist das mit der Liebe Gottes ein Märchen.”
Jan: „Ja, Sara. Für unseren Menschenverstand ist es rätselhaft, was Gott auf dieser Erde alles geschehen lässt. Aber bedenke, wie begrenzt wir sind. Und wer Gott ist! Ganze Nationen sind für Ihn nur wie ein Tropfen am Eimer, sagt einer der Propheten. Gott hat den Überblick, wir nicht. Wir sind doch ihm gegenüber nicht mal ein Atom, viel kleiner als diese winzigen Ameisen hier an der Mauer für uns! – Schau dir mal diese Tierchen an. Wie könnten sie jemals deine Gedanken, Wünsche und Ziele verstehen? Noch viel unmöglicher ist es für uns, Gottes Gedanken zu erfassen.”
Sara: „Na gut, wir haben einen sehr beschränkten Horizont. Aber wenn das Verhalten Gottes für uns so verwirrend und skandalös ist, wie kann er dann von uns erwarten, dass wir ihm vertrauen, an ihn glauben?”
Jan: „Er hat einen Weg gefunden, uns seine Gedanken verständlich zu machen: durch seinen Geist. Und er hat uns ein phantastisches Buch gegeben, die Bibel. Da stehen seine Gedanken drin. Und er sagt, dass er uns gerne antworten will, wenn wir ihn fragen, und dass er uns übernatürliches Verständnis geben will. Aber kommen wir mit unseren Fragen zu ihm? – Sara, wie ist es bei dir? Betest du? Liest du im Wort Gottes?”
Sara: „Wir lesen doch dauernd in der Bibel! Jeden Tag kommt in den Vorlesungen und Seminaren die Bibel vor!”
Jan: „Gott persönlich zu suchen, ihn um Antwort zu bitten und mit einem offenen Herzen in der Bibel zu lesen ist etwas ganz anderes als Theologie.”
Sara: „Das kann schon sein. Aber ich habe so wenig Freizeit! Außerdem komme ich mir komisch vor, wenn ich zu Gott sagen soll: ‚Bitte erkläre mir das!‘ – So kindisch.”
Jan: „Ich finde es besser, wie ein kleines Kind vor Gott zu sein, als vornehm distanziert zu bleiben und die Welt niemals zu verstehen. – Wie sind eigentlich deine eigenen Gotteserfahrungen? Hast du nicht manchmal etwas von der Liebe Gottes gemerkt, wie er sich auch in kleinsten Details um dich kümmert, dich beschützt?”
Sara: „Doch, das schon. Aber was ist mit den anderen, denen es schlecht geht? Für manche Leute, die gar nichts verbrochen haben, hält er furchtbare Schicksalsschläge bereit. Und richtig gemeine Menschen, Kinderschänder und Mörder, lässt er laufen. Warum tötet er die nicht? Und warum geht er nicht gegen die Verbrecher im Finanzsektor und in der Industrie vor, die ihre Mitmenschen in Hunger und bitterste Armut treiben und die ganze Welt zerstören? ”
Die Beiden kommen an einem Café vorbei.
Jan: „Trinken wir einen Cappuccino und reden drinnen weiter?” – „Ok.”
Das Café ist sehr voll, es gibt keinen freien Tisch mehr.
Sara: „Da drüben sitzt nur ein Mann allein. Setzen wir uns dazu?” – „Ja, fragen wir.”
Der Gast an dem Tisch, ein jüngerer Mann, antwortet freundlich. Jan und Sara nehmen dankend Platz.
Sara: „Ich jedenfalls verstehe das Verhalten von dem da oben so wenig, dass ich schon bald alles anzweifle. Ich finde, es sieht so aus, als würde er meistens schlafen. Und wenn er mal eingreift, dann erscheint sein Eingreifen ganz willkürlich – mal so, mal so. Zu manchen ist er liebevoll und freundlich, zu anderen grausam und hart.”
Jan: „Ja. Wenn man ihn nicht kennt, sieht man nur lauter sinnlose, blinde Zufälle.”
Sara: „Oder Schlimmeres! – Denkst du auch noch manchmal an diese schreckliche Geschichte vor einem Jahr? Wie der kleine Junge von einem Dachziegel erschlagen wurde? Das Kind läuft auf dem Gehweg am Haus entlang, in diesem Augenblick löst sich ein Ziegel und fällt ihm auf den Kopf – tot. Stell dir das mal vor! Genau in diesem Bruchteil einer Sekunde fällt der Ziegel herunter! Das sieht doch nicht einmal nach blindem Zufall aus, sondern nach Maßarbeit! Ich frage dich: Was ist das für ein Gott, der so etwas macht?”
Jan: „Die ganze Stadt hat ja damals von diesem Unfall gesprochen. Es war wirklich schockierend. Und ich kann nicht bestreiten, dass es nach ‚Maßarbeit‘ aussah.”
Sara: „Also bitte! Was ist das für ein Gott, an den du glaubst?”
Jan: „Mir kommt öfter Jesaja Kapitel 55 in den Sinn, wo der Herr sagt, dass seine Gedanken so viel höher sind als unsere, wie der Himmel höher ist als die Erde. So viel höher! Er hat die Pläne für alles gemacht, nicht wir. – Er denkt doch nicht nur an die paar Jahre, die wir hier auf der Erde sind, er sieht die Dinge von der Ewigkeit her! Er hat ein Ziel mit seiner Schöpfung. Er sieht die unsterblichen Seelen und das, was in der Zukunft, in der Ewigkeit, mit ihnen sein wird. Natürlich ergibt sich daraus oft ein ‚Muss’, das wir nicht verstehen. Ich komme auf die Ameisen zurück. Wie könnten sie kapieren, was die Menschen tun, warum z.B. der Ameisenstaat zerstört oder ein schöner, junger Baum gefällt werden muss – weil man dort eine Bahnlinie baut?”
Sara: „Was du da sagst, würde bedeuten, dass Gott bereit ist, Geschöpfe zu quälen, nur damit er etwas Gutes für sich selbst bekommt.”
Jan: „Nur mit dem kleinen Unterschied, dass Gott sein Reich nicht einfach für sich, sondern auch für uns baut. Und wie du sehr wohl weißt, hat er in Jesus schlimmste Leiden auf sich genommen, um für uns einen Ausweg zu schaffen – weil die ganze Menschheit schon auf seinem Müll ist.”
Sara: „Auf seinem Müll!”
Jan: „Na ja, ich meine damit: So egoistisch, wie wir Menschen geworden sind, so voller Stolz und Verlogenheit, getrieben von Hass und Gier, passen wir doch nicht zu ihm, oder? Er ist heilig, vollkommen. Und er ist Liebe, er will eine echte Liebesbeziehung mit uns. Er will ein Gegenüber bekommen, das ihm gefällt! Er gibt sich doch nicht mit einer minderwertigen Partnerin zufrieden, mit Murks! Nein. Er sagt: Alles oder nichts. Die Bibel zeigt, dass Leute mit irgendwelchen schlechten Eigenschaften am Ende unannehmbar für ihn sind, disqualifiziert für sein Reich, nur noch Abfall. Lies mal Offenbarung 21,8: Allein schon Feigheit ist in seinen Augen Grund genug, einen Menschen zu verwerfen! – Es gibt also nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir werden durch Jesus von Grund auf anders, so dass Gott über uns glücklich sein kann, oder wir bleiben draußen – auf Gottes brennender Müllhalde. Du weißt, was seine Müllhalde ist… Übrigens hat auch Jesus von sich gesagt, dass er leiden, sterben und auferstehen muss.”
Sara: „Offen gesagt, ich verstehe eigentlich auch das Kreuz nicht. Warum Jesus das alles durchmachen ‚musste‘. Wir reden meistens mit einer solchen Selbstverständlichkeit von seinem Leiden und Sterben; aber wie konnte Gott seinem einzigen Sohn so etwas antun? Warum hat er ihn wie ein Lamm mitten unter die Wölfe geschickt?”
Jan: „Damit sind wir bei der Frage aller Fragen. Aber: Keiner kann ohne göttliche Offenbarung erfassen, was das Kreuz bedeutet. Da muss jeder selbst auf Gott zugehen und ihn um die Erklärung bitten. Für mich war es entscheidend, zu erkennen, dass Gott selbst damals Mensch geworden ist und in Jesus alles auf sich genommen hat, damit er uns nicht verdammen muss. Dass Gott wie ein Same in die Erde gefallen ist, um sich in Menschen durch sein eigenes Leben reproduzieren zu können – die Vervielfältigung seiner eigenen Art. Aus dem ersten ‚Weizenkorn’ entstehen viele weitere, die ihm genau gleichen, neue Persönlichkeiten mit allen seinen Eigenschaften… Das ist sein Programm.”
Sara: „Irgend etwas ist bei dir anders als bei den übrigen Theologen, die ich kenne. Da ist so eine innere Gewissheit. Man hat das Gefühl, dass du einen direkten Draht zu Gott hast…
Aber ich komme auf das Beispiel von vorhin zurück: Was für einen Grund könnte Gott gehabt haben, den Ziegel auf den Kopf des Jungen fallen zu lassen? Sag jetzt bloß nicht: Der Junge war vermutlich böse.”
Jan: „Nein, das sage ich nicht. Aber ich weiß, dass Gott alles aus Liebe macht.”
Sara: „Was! Liebe?? Was soll das für eine Liebe sein, die so ein junges Leben einfach auslöscht? Und den Eltern ihr einziges Kind wegnimmt?”
Jan: „Ich habe in diesem Fall, wie in vielen anderen, keine Erklärung. Aber eins weiß ich: Es war auch hier ein göttliches ‚Muss’ dahinter.”
Plötzlich beugt sich der Mann am Tisch, der seine Tasse inzwischen leergetrunken hat, vor und sagt:
„Entschuldigen Sie – ich habe ja zwangsläufig Ihr Gespräch mit angehört. Erlauben Sie mir eine Bemerkung dazu?”
Sara: „Natürlich! Schießen Sie los.”
Der Unbekannte: „Vielleicht hat jemand dieses Ereignis gebraucht… zum Beispiel die Eltern.”
Sara: „Wie? Was? Gebraucht? – Wie kommen Sie auf so einen Gedanken? Gebraucht! Wozu brauchen junge Eltern den Tod ihres kleinen Kindes? Ich bitte Sie! Haben Sie denn kein Mitgefühl? Können Sie sich nicht ausmalen, was dieses Ehepaar durchgemacht hat?”
Der Unbekannte: „Doch – ich weiß es. Ich bin der Vater.”
Jan und Sara schauen sich erschrocken an. Schließlich wenden sie sich wieder dem Mann zu. –
Der Vater: „Heute verstehe ich, warum Gott uns unseren Jungen genommen hat. Es kam wirklich aus seiner Liebe. Meine Frau und ich, wir waren wie die meisten jungen Leute – unbekümmert, voller Lebenslust und Selbstsicherheit, ganz vom Tagesgeschehen eingenommen. Wir hatten überhaupt keine Ahnung, warum und wofür der Mensch lebt und was auf dem Spiel steht. Aber als das passiert ist, da fühlten wir uns beide so, als würde uns der Boden unter den Füßen weggezogen. Wir fanden uns nicht mehr zurecht. Plötzlich war die Ewigkeit in unser Leben hereingebrochen. – Hätten wir nicht so wunderbare Nachbarn gehabt, dann weiß ich nicht, wo wir heute wären. Depressionen, totale Antriebslosigkeit, Suff, Drogen – in alles Mögliche hätten wir hineingeraten können.”
Sara: „Aber es ist offenbar anders gekommen.”
Der Vater: „Ja. Und das verdanken wir nicht zuletzt diesen Nachbarn, die von Anfang an wirklich für uns da waren. Sie haben viele, viele Stunden mit uns verbracht, uns zugehört und unsere Fragen beantwortet. Wir merkten dann, dass sie Christen sind. Aber echte, keine Heuchler. Sie haben uns nach und nach erklärt, dass Gott manchmal schwere Schicksalsschläge zulässt, um Menschen vom Abgrund wegzureißen. Wir fingen an zu sehen, dass jeder so, wie er von Natur aus ist, in Gottes Prüfung durchfällt. Wir haben unsere Gottlosigkeit und Ichsucht erkannt. Uns wurde klar, dass wir auf dem direkten Weg in die Hölle – die ewige, vollständige Trennung von Gott – waren und dass wir Jesus brauchten, um gerettet zu werden. Schließlich haben wir Ihn um Vergebung gebeten für alle Schuld. Und wir haben ihn gebeten, dass er in unser Leben kommt, dass er unser Leben wird und uns von innen heraus neu macht.. Als wir das taten, haben wir Gott zum ersten Mal wirklich erlebt, seinen Frieden, seine Liebe, seinen wunderbaren Trost. In den folgenden Monaten ist eine immer tiefere Beziehung zu ihm entstanden, und wir schätzen ihn über alles. Er hat meiner Frau und mir dann sogar gesagt, dass wir uns keine Sorgen um unseren Jungen machen müssen, dass es ihm gut geht. Er ist im Paradies. Und wir sind inzwischen so weit, dass wir Jesus sogar schon danken konnten für das, was geschehen ist, obwohl es eine sehr harte Schule war.”